Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren? (Vincent Van Gogh)
Hanni und Nanni feiern Weihnachten
Juchuh, Herrli hat uns einen großen Kratzbaum mitten ins Wohnzimmer gestellt!
Ausgiebig schärfe ich meine Krallen daran, während Herrli mir erklärt, dass ich doch endlich ihr Eigentum respektieren soll. Tu ich doch.
Während Hanni den Baum von allen Seiten beschnuppert, klettere ich begeistert daran hoch. Das heißt, ich versuche es, werde aber schimpfend davon abgehalten.
„Nanni, nein, das ist unser Weihnachtsbaum. Der ist nicht für die Miezekatzen zum Klettern da. Der ist vom Christkind für Lilli und Tobi.“ Herrli zieht mich vom Baum und stellt mich mit einem „Dudu“ auf den Boden.
Na gut, dann untersuche ich halt die riesige Schachtel, die mir gerade vor die Nase poltert. Neugierig gucke ich über den Schachtelrand, springe hinein. Ich lande inmitten von Raschelpapier, welches mit lautem Knirschen nachgibt. Ich zerre mit meinen Pfoten und Zähnen daran. Ein bunter, glitzernder Ball kommt unter dem Papier zum Vorschein. In dem Moment ist Hanni mit dem Beschnüffeln der Schachtel fertig und hüpft ebenfalls herein. Natürlich will sie mir den Glitzerball wegnehmen. Aber dieses Mal nicht, meine Liebe! Gekonnt stupse ich den Ball mit der Pfote an. Er fliegt schnurstracks an Hanni vorbei, landet mit lautem Scheppern auf dem Fußboden. Ich sause hinterher. Der Ball ist weg. Nichts, nur lauter kleine Glitzerstückchen, von dem Ball keine Spur.
„Oh nein, die schönen Christbaumkugeln. Nanni, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt? Bleib wo du bist, damit du dir nicht weh tust. Ich hol schnell den Besen. Wir haben jetzt bestimmt nicht genug Christbaumkugeln.“ Frauli tätschelt unsanft meinen Kopf. Während ich versuche, nicht mit den Glitzerstückchen zu spielen, holt sie die Mistschaufel und den Besen. Juchuh, das ist eines meiner Lieblingsspiele! Wir müssen alles, was Frauli auf die Schaufel kehrt, wieder hinunterschubsen. Wer schneller ist, hat gewonnen. Frauli kann aber leider überhaupt nicht verlieren. Damit sie doch noch gewinnt, holt sie am Ende immer ihre Geheimwaffe, den Staubsauger. Damit zaubert sie mit lautem Getöse den Dreck weg, während wir uns wegen des Ungeheuers unter der Couch verkriechen. So endet das Spiel auch heute.
Mir ist fad und ich schlendere hinter Frauli in die Küche. Vielleicht kriege ich ja ein Gutti, wer weiß? Vor dem Mistkübel sitzt Hanni und spielt mit Herrli „Rein-Raus“. Er schmeißt etwas in den Kübel hinein und sie holt es wieder heraus. Das spielen sie ständig. Herrli wollte Hanni austricksen und hat einen Mistkübel mit Deckel gekauft. Vergebens.
Verflixt ist die Hanni geschickt! Nach einer Weile nimmt Herrli den Kübel und trägt ihn ins kalte und nasse Draußen. Vom Fenster aus beobachte ich, wie er damit zur großen Tonne stapft.
„Hanni! Nein, lass die Schokolade, die ist für den Baum!“, höre ich Fraulis Stimme. Ich sause ins Wohnzimmer. Frauli stibitzt Hanni ein Gutti aus dem Mäulchen. Hanni weint sofort herzzerreißend. Das macht sie immer, wenn sie unbedingt etwas haben will, dieses falsche Biest.
„Aber Hannilein, das darfst du nicht. Da kriegst du Bauchi-Weh. Ich hol dir ein anderes Leckerli.“ Frauli streichelt tröstend über Hannis Kopf. Diese dumme Heulsuse hat es also schon wieder einmal geschafft! Wütend fauche ich sie im Vorbeigehen an.
"Lametta dürfen wir heuer aber nicht verwenden. Das ist Gift für die Katzen", murmelt Herrli und versteckt seufzend die Glitzerfäden, bevor ich sie erhaschen kann. Oh, was ist denn das? Aus der Schachtel lugt ein federiges Ding heraus. Ich ziehe neugierig daran. Hanni eilt herbei um mir zu helfen.
"Hahaha! Sieh nur!", höre ich Frauli lachen. "Sind sie nicht süß?"
"Ja, sehr süß." Herrli wirkt etwas genervt und versucht, uns aus der Girlande zu wickeln, in die wir uns mittlerweile komplett verheddert haben. Wortlos holt er die Schere und befreit uns davon.
„Liebes, heuer haben wir keine Girlande.“ Kommt es mir nur so vor, oder klingt Herrli irgendwie müde? Komisch, es ist ja noch nicht einmal Essenszeit.
Wir hängen bunte Bälle und leckere Essenssachen auf den Baum. Ganz zum Schluss legt Frauli die Geschenke darunter, welche wir gemeinsam für das Christkind eingepackt haben. Alleine der Gedanke an die vielen bunten Bänder und das raschelnde Papier bringen meinen Körper zum Vibrieren.
"Das gibt es doch nicht!" Herrli scheint mittlerweile richtig wütend zu sein. Ob Frauli ihn geärgert hat? "Sieh nur, sie haben doch tatsächlich den Windbehang angebissen!" Schnell putze ich voller Hingabe meinen Bauch und hoffe, dass er mein puderiges Schnäuzchen nicht bemerkt. Hanni, die sich gerade die letzten Zuckerbrösel von der Nase leckt, sieht ihn unschuldig, beinahe erstaunt, an.
Endlich kommen "die Kinder" mit ihren Menschenwelpen Tobi und Lilli zu Besuch und ein lustiges, lautes Treiben setzt ein. Ich mag es, wenn alle da sind. Es findet sich dann immer jemand zum Schmusen und Spielen.
Hoffentlich gibt es bald etwas zu essen! Schon den ganzen Tag durchziehen wunderbare Gerüche das ganze Haus. Vergebens sind wir Frauli schnurrend um die Beine gestrichen und haben mit liebevollem Maunzen unsere Schwänze um Herrlis Fuß gewickelt. Außer einigen vertröstenden Worten hat es uns leider nichts eingebracht. Seit Stunden läuft uns das Wasser in unseren Mäulchen zusammen, unsere Mägen knurren sehnsuchtsvoll, weil es überall so gut duftet.
Ich bin gerade oben im Bad auf dem Klo, als meine Ohren ein helles Klingeln vernehmen. „Bescherung! Das Christkind war da!“, tönt Herrlis Stimme durch das Haus. Schnell grabe ich mein Geschäftchen ein und renne wie der Blitz hinunter zu meinen Menschen. Meine Pfoten geraten irgendwie durcheinander und fast wäre ich die letzten Stufen hinuntergekugelt. Dank eines überaus perfekten Sprunges bin ich dieser Blamage aber gerade noch entgangen. Das hätte Hanni gefallen, die hätte mich sicher wochenlang damit aufgezogen!
Umgeben von bunten Schachteln sitzen Tobi und Lilli auf dem Fußboden, zerren aufgeregt an den funkelnden Bändern, reißen ungeduldig am bunten Papier. Mittendrin Hanni. Wie sollte es auch sonst sein? Schnell hüpfe ich hinein ins Geschehen. Hanni und ich helfen so gut wir können beim Auspacken, zerren an den Bändern, krallen unsere Tatzen ins Papier. So lange, bis es mit einem "Ratsch" zerreißt.
Zu guter Letzt liegen lauter Spielsachen auf dem Fußboden verstreut herum. Hanni und ich sind im Schlaraffenland.
Was für ein Spaß! Tobi legt schmale lange Teile aneinandergereiht auf den Boden. Ich nehme sie in mein Mäulchen und trage sie in meinen Katzenkorb. Er holt sie wieder heraus, legt sie zurück. Ich glaube, bei dem Spiel geht es darum, wer am Schluss die meisten Teile hat.
"Oma, Nanni verschleppt alle Schienen!" Er ist so ein schlechter Verlierer, eine richtige Memme! Frauli legt meine gesamte Beute auf Tobis Haufen, ermahnt mich, endlich brav zu sein. Noch braver?
Endlich durchschaue ich das Spiel. Tobi muss eine Straße bauen auf der komische Autos, er nennt sie Waggon, fahren. Das Ganze heißt Zug. Das Spiel ist wirklich total lustig! Tobi muss mich daran hindern mitzufahren. Sobald ich in einem Waggon sitze, hebt er mich heraus und bringt den leeren Zug zum Fahren. Und jetzt wird es spannend. Ich renne dem Zug nach, springe wieder in einen Waggon. Wenn mir das gelingt oder der Zug umfällt, habe ich gewonnen. Zumindest glaube ich das, weil der Tobi dann immer so einen Flunsch zieht. Und ich gewinne oft.
Mir ist das Zug-Spiel zu fad und ich gucke einmal, was Lilli und Hanni so treiben. Lilli baut hohe bunte Türme mit ihren Bausteinen und Hanni wirft sie alle wieder um. Das ist aber babyleicht, die Türme wackeln ja schon vom Hinsehen. Natürlich schnuppert Hanni zuerst immer eine Ewigkeit an den Steinen, die vor Lilli auf dem Boden liegen. Bis die mitkriegt, dass Lilli schon wieder einen Turm gebaut hat, vergeht jedes Mal eine halbe Ewigkeit. Oder ist das Absicht und Lilli soll sich in Sicherheit wiegen? Raffiniert, wie Hanni das macht.
"Oma, Hanni schmeißt mir immer alles um!", weint Lilli. Sie ist genauso eine Heulsuse wie Hanni. Die beiden haben sich gefunden. Da sind Tobi und ich schon von einem ganz anderen Kaliber!
Frauli, wie immer auf Lillis Seite, erhöht den Schwierigkeitsgrad. Sie legt alle Bausteine auf den Esszimmertisch. Auf den Tisch dürfen wir nicht, da sind Frauli und Herrli sehr streng. Nicht einmal ein bisserl darauf liegen oder sitzen lassen sie uns. Und dabei kann man vom Tisch aus alles viel besser beobachten. Sogar die Vögel im Garten. Da muss man also schon sehr geschickt sein, wenn man mitspielen will. Die Hanni macht das ehrlicherweise verdammt gut. So schnell kann die Lilli gar nicht schauen, flutscht die Hanni todesmutig über den Tisch am Turm vorbei, und stupst ihn mit dem Schwanz oder mit der Pfote um. Am Ende weint die Lilli sogar, weil die Hanni immer gewinnt.
"Hanni, Nanni! Fressi!", ruft uns Frauli. Endlich! Wie der Blitz sausen wir in die Küche, ziehen dabei bunte Einwickelbänder hinter uns her. Hanni glitzert und funkelt so schön, ich bin sofort im Spielmodus und springe sie freudig an. Sie knurrt, droht mir mit ihrer Tatze. Alte Spielverderberin. Ich fauche sie böse an.
"Hört auf, ihr zwei! Schaut mal, was ich da habe." Unsere Schüsselchen sind gefüllt mit Leckereien und wir vergessen sofort unseren Streit.
Mit vollen Bäuchlein, glücklich und zufrieden, kuscheln wir uns schließlich zu Frauli und Herrli auf die Couch. Sie kraulen uns liebevoll das Fell und hintern den Ohren. Das kitzelt zwar ein bisserl, aber ich mag das total. Müde lausche ich dem fröhlichen Treiben um uns. Hoffentlich machen wir das bald wieder einmal, denke ich und merke, wie mir meine Äuglein zufallen.